Offener Brief des Wirtschaftsverbands 100 Prozent Erneuerbare Energien Regio Freiburg an Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen

Sehr geehrter Herr Minister,

je schneller und konsequenter die Energiewende in Deutschland umgesetzt wird, umso schneller profitiert die deutsche Volkswirtschaft und jeder Einzelne von einer sauberen, auch zukünftig bezahlbaren und sicheren Energieversorgung. Ressourcen- und Umweltschutz, der Schutz des Klimas, Unabhängigkeit von Energieimporten, regionale Wertschöpfung und zahlreiche zukunftsfähige neue Arbeitsplätze – jeder dieser sehr positiven Aspekte der Energiewende spräche schon für sich allein dafür, alles zu tun, um die Energiewende möglichst stark zu beschleunigen. Auch die gesellschaftlichen Vorteile bieten neben den ökonomischen und den ökologischen Vorteilen einen deutlichen Mehrwert gegenüber der konventionellen Energiewirtschaft mit ihren zentralistischen und von Oligopolen geprägten Strukturen.

Soll die Energiewende rasch und effektiv gelingen, dann muss sie dezentral erfolgen. Ihre Träger sind in erster Linie mittelständische Unternehmen, Stadtwerke, Kommunen, Bürgergenossenschaften und hunderttausende engagierter Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Ihre Vorschläge zur Energiepolitik und speziell zur EEG-Novelle 2012 laufen leider grundsätzlich auf das genaue Gegenteil hinaus. Wir lehnen als Stimme der Erneuerbaren Energiewirtschaft der Region Freiburg diese Pläne ab, weil sie unwirtschaftlich, mittelstandsfeindlich und bürgerfern sind. Und weil wir weiter an Zeit verlieren würden im Wettlauf mit dem Klimawandel.

Neben den geplanten Kürzungen der Einspeisevergütung für Onshore-Windenergie und Photovoltaik-Strom läuft Ihr Gesetzentwurf im Kern darauf hinaus, mit einer überdimensionierten Förderung der sich schleppend entwickelnden deutschen OffshoreWindenergie-Produktion die Oligopol-Stellung der vier großen Energiekonzerne und deren Strommarktanteile abzusichern. Wir brauchen stattdessen den raschen und flächendeckenden Ausbau von Wind-, Solar-, Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie an Land in ganz Deutschland sowie eine wesentlich bessere Förderung der Kraft-WärmeKopplung als Schlüsseltechnologie der Energieeffizienz.

Wir fordern Sie auf, Ihren EEG-Novellen-Gesetzentwurf zurückzuziehen, weil er keine Beschleunigung, sondern eine Verzögerung der Energiewende zur Folge hätte. Wir stehen als mittelständische Unternehmen der Solarregion Freiburg bereit, zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und allen willigen Städten und Gemeinden die Energiewende in viel größerem Tempo voranzutreiben. Dazu müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen.

Sorgen Sie u.a. mit der anstehenden EEG-Novellierung für eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um einen Investitionsschub auszulösen. Wenn der entsprechende Rahmen stimmt, dann kommt die Energiewende von alleine. Energiesparen, die Nutzung energieeffizienter Geräte und Maschinen, die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien – all das muss sich rechnen. Investitionen in die Energiewende müssen sich in wenigen Jahren amortisieren bzw. als Investment lohnen, erst dann entfaltet sich die dringend benötigte Dynamik.

Den erforderlichen Systemumbau beim Netzmanagement, aber auch die gesellschaftspolitische Einbeziehung der Bürger in ganz Deutschland sind weitere wichtige Aufgaben für die Bundespolitik. Je mehr Menschen (u.a. auch als Investoren) beteiligt sind, umso größer ist die regionale Akzeptanz für den dezentralen Ausbau von Anlagen vor Ort.

Die lokale Wirtschaft und die Kommunen müssen von der Energiewende von Flensburg bis Lörrach profitieren. Wir erwarten von Ihnen eine Energiepolitik, die die Energiewende von den Zielen her denkt und nicht von den heutigen Strukturen. Mit einem Weiter-so in den bestehenden Strukturen und dem zum Scheitern verurteilten Versuch, die Erneuerbaren Energien an das bestehende System anzupassen, würden wir nur wertvolle Zeit verlieren, weil wir immer weiter in eine Sackgasse hinlaufen würden. Wir benötigen eine Systemtransformation hin zu einer dezentralen, intelligenten und flexiblen Steuerung, die der Logik der Erneuerbaren Energien folgt. Eine Marktintegration der Erneuerbaren in die starren Strukturen der vier großen Stromkonzerne brauchen wir dagegen nicht. Die Interessen der Atom- und Kohlestromkonzerne wurden lange genug vor die gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Interessen gestellt. Es wird höchste Zeit, dass eine am Gemeinwohl orientierte Politik ihr Primat wiederherstellt.

Wir laden Sie herzlich dazu ein, sich in unserer Region persönlich davon zu überzeugen, welche Chancen die Energiewende bietet. Wir zeigen Ihnen gerne vor Ort, wie viele zukunftsfähige Arbeitsplätze eine nachhaltige Politik im Mittelstand schafft und wie dadurch regionale Wertschöpfung entsteht. Zu einem konstruktiven Dialog mit Ihnen über die Energiewende sind wir jederzeit bereit.

Mit freundlichen Grüßen,

Per Klabundt, Geschäftsführer